Aus den Papieren eines Wärters: Die Falle / Rezension

Ergebnisse der Facebookgruppe „Wir lesen Dürrenmatt“ – „Die Falle“

Unsere Facebookgruppe „Wir lesen Dürrenmatt“

Unsere kleine Lesegruppe besteht aus gerade mal wenig mehr, als einer Handvoll Leser. Aber wir lesen sehr genau! Hier sind die Ergebnisse zu „Die Falle“ in: „Aus den Papieren eines Wärters (WA 19). Und wir diskutieren am Wochenende mit offenen Türen und freuen uns, wenn ihr mitdiskutieren möchtet, oder auch nur lauschen möchtet. Einfach unsere Gruppe „Wir lesen Dürrenmatt“ besuchen. Und ich komme zum nächsten Punkt, unserem Leseplan.

Wir sind nun mit der WA19 bis auf die letzte Erzählung „Aus den Papieren eines Wärters“, die in den nächsten Tagen erfolgen soll. Dann haben wir den ersten Band, der sehr anspruchsvoll ist, und Gleichnisse, Motive und Themen Dürrenmatts vorstellt, die immer wieder neu durchdacht und bearbeitet wurden, besprochen.

Im April lesen wir „Der Richter und sein Henker“. Wir diskutieren am Wochenende 10./11. April 2021 in der Gruppe über den Krimi.

Zum Inhalt „Die Falle“

Ich möchte anhand dieser Erzählung einmal zeigen, wie ich mir einen derart dichten Text, der selbst einem Labyrinth ähnelt, erarbeite.

Nachdem ich ihn einmal gelesen habe, suche ich mir die typischen Dürrenmattschen Bilder heraus.

Für eine Rezension wichtige Bilder und Motive in „Die Falle“

Die Erzählung „Die Falle“ gehört zur Gruppe II der frühen Prosa. Die Erzählung wurde 1946 zuerst unter dem Namen „Der Nihilist“ verfasst.

Wir haben einen Ich-Erzähler und zahlreiche Bilder, Motive und Gleichnisse. Es wimmelt geradezu davon. Dürrenmatt erzählt die Geschichte eines Selbstmörders, der zum Mörder wird, und erst nachdem er dem Ich-Erzähler davon „gebeichtet“ hat, tötet er sich.

Während der Lektüre fragte ich mich, warum ist es dem zukünftigen Selbstmörder, nennen wir ihn mal den Nihilisten, so überaus wichtig, seine Tat zu beichten? Aber dazu später!

Dürrenmatt eröffnet die Erzählung mit dem Motiv des Beobachtet-Werdens „Es war auf der Straße, als ich mitten in der Menge seinen Blick zum ersten Mal spürte.“ (73).

Der Ich-Erzähler als Verfolgter fürchtet sich, und beginnt dem Verfolger Fallen zu stellen. Das Motiv, Das Wild wurde nun selbst zum Jäger. (73). Das finden wir immer wieder in Dürrenmatts Kriminalgeschichten.

Und wir begegnen wieder dem Zufall, der bei Dürrenmatt eine überaus große Rolle spielt. Das ist der Grund, warum die Welt nicht berechenbar ist. Er ist die Variable jedes Geschehens, die man nicht ausschalten kann. Mal hilft sie auf der einen Seite, mal dreht sie das Schicksal für die andere Seite.
„Doch war er geschickter als ich und entkam immer wieder meiner List, bis mir in einer Nacht, der Zufall die Möglichkeit gab, ihn zu stellen.“ (73)

Der Verfolger ist der/das Fremde. „Da schrak der Fremde zurück“. (74).

Dürrenmatt gestaltet in Anlehnung an das Höhlengleichnis entsprechende Szenen mit Nebel, Schatten und kaum erkennbar: „Er erblickte meine Silhouette, die sich vom Nebel abhob. Er stand mir unschlüssig im Laubenbogen gegenüber, doch war er im Schatten nicht sichtbar.“ (74).

Passion Christi „Langsam erkannte ich in der Finsternis der Gasse eine dunkle Gestalt, beide Arme wie gekreuzigt an der Türe.“ (74).

Das waren jetzt nur einmal die Motive der ersten zwei Seiten der Erzählung.

Zu den biographischen Daten

Zusammenfassung: „Die Falle“

Der Ich-Erzähler stellt den Nihilisten, der ihm ständig folgt. Der Nihilist eröffnet dem Ich-Erzähler, dass er ihn verfolgt, weil er alles über ihn wissen und erfahren will/muss, und weil er ihm sein Leben erzählen will. Will er prüfen, ob der Ich-Erzähler sein Vertrauen verdient? Warum er es gerade dem Ich-Erzähler mitteilen will, bleibt unbeantwortet. Nach der Beichte tötet er sich vor den Augen des Ich-Erzählers. Das ist die Rahmenhandlung.

Darin eingebettet ist die Geschichte des Mordes. Obwohl der Nihilist viel davon erzählt, dass der Suizid für ihn die einzige Lösung ist, führt er die Tat nicht aus. Auch wenn diese Parabel ehemals „Der Nihilist“ hieß, und ich mich hier auf diese Bezeichnung einlasse, wird er in Geschichte selbst, nie Nihilist genannt. Und das wahrscheinlich aus dem Grund, dass er nicht wirklich ein Nihilist ist.

Als der Nihilist auf einen Toten stößt, der von einer Kugel getroffen wurde, harrt er an dieser Stelle aus, und hofft auf den ZUFALL, selbst getroffen zu werden. Er lernt dabei die Witwe kennen. Diese erkennt ihn sofort:

„Ich will mich töten.“
„Wozu?“ fragte sie.
„Weil ich den Tod liebe.“
„Du bist ein Henker?“ lachte sie.
„Du hast recht“, antwortete er, „ich bin ein Henker.“

(80)

Peter Spycher beschreibt den Traum des Nihilisten, den dieser nach seiner Vereinigung mit der Witwe hat:

„Diese grauenhafte Vision ist etwas vom Großartigsten, was der Erzähler Dürrenmatt geschaffen hat; sie stellt sich ohne weiteres Jean Pauls „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sei“ oder den Höllenvisionen eines Bosch oder Breughel an die Seite.“

Spycher, Peter: Friedrich Dürrenmatt. Das erzählerische Werk. (77).

Interpretationsansätze der Buchvorstellung

Irgendwie geht mir der Gedanke der Beichte nicht aus dem Kopf! Das mit der Schuld und der Vergebung, hatten wir schon in den letzten Erzählungen. Schuld kann nach Dürrenmatt nicht übertragen werden. Und eine Vergebung der Schuld kommt auch nicht in Frage. Hier folgt Dürrenmatt eindeutig Sartre, Kierkegaard und Camus. Der Existentialismus prägt Dürrenmatts Werk.

Allerdings kann man davon ausgehen, dass Dürrenmatt Camus Ansicht zum Selbstmord kennt. Für Camus ist der Selbstmord, keine Lösung, weil er die eigene Existenz noch absurder macht, wenn man sich die angenehmen Dinge des Leben versagt.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, die Idee des von Camus als „philosophischen Suizid“ bezeichnete Verhalten, bzw. die Flucht in den religiösen oder spirituellen Glauben. Auch dies ist für Camus keine Lösung.

Für eine Ausarbeitung vielleicht gute Interpretationsansätze.

Welche Fragen stellen sich bei der Literatur?

  1. Warum will der Nihilist die Geschichte erzählen?
  2. Hat der Nihilist Todessehnsucht oder Todesfurcht?
  3. Warum wird die Witwe zur Nihilistin?

Beziehungen zu Existentialismus und Nihilismus

Der Existentialismus glaubt daran, dass der Mensch einen Sinn in seinem Leben finden kann. Der Nihilismus verneint das.

Schwieriger ist die Beantwortung der Frage, ob das. Universum einen innenwohnenden Sinn hat? Hier teilen sich atheistischen Existentialisten, die nicht daran glauben, und die theistischen E., die sagen vielleicht, aber die Menschen müssen daran glauben. Die Nihilisten verneinen.

Der Existentialismus glaubt, dass die Menschen ihrem Leben selbst einen Sinn geben können. Die Nihilisten sagen, dass sich kein Sinn erschaffen lässt.

Der Absurdismus findet zwischen beiden Polen seine Position.

Zu den biographischen Daten

Kritik zu „Die Falle“ in: Aus den Papieren eines Wärters. WA 19 von Friedrich Dürrenmatt

Schon die Rahmengeschichte ist für sich alleine betrachtet eine Katastrophe. Eine Katastrophe für den Nihilisten, der sein Leben dabei verliert, und eine Katastrophe für den Beobachter, der mit diesen Bildern weiterleben muss. Dürrenmatt liebt Katastrophen.

Warum will der Nihilist überhaupt seine Geschichte weitertragen? Ist er so narzisstisch? Oder muss er sein Gewissen erleichtern? Erst nachdem er „gebeichtet“ und einen Zeugen hat, tötet er sich.

Die eingebettete Geschichte des Mordes an der Frau ist ein Verbrechen! Anstatt sich selbst zu töten, tötete er die Frau, von der er dachte, es sei seine Bestimmung, zusammen mit ihr zu sterben. Er konnte das Leben nicht loslassen. Er wählte für sich das Leben. Aus der Todessucht wurde Todesangst. Sie weiß es und nimmt es hin. Sie ist die Nihilistin in dieser Szene.

Die von Peter Spycher so hochgelobte Szene ist sehr anschaulich. So stellte ich mir Dantes Inferno vor. Das sind Bilder, die ich mir abends vor dem Schlafen nicht vorstellen möchtet. Dabei denke ich sofort an Nietzsche: „Wenn du zu lange in den Abgrund schaust, schaut der Abgrund auch in Dich.“

Wer Dürrenmatt nur über die Schullektüre kennt, wird erstaunt über die Prosa I-IV sein, die er in diesem Band findet.

Dieser Versuch einer Entschlüsselung des Textes „Die Falle“, ist keinesfalls eine wissenschaftliche Arbeit und soll nur einige Interpretationsansätze aufzeigen.

Besucht unseren Blog oder unsere Facebookgruppe, Zusammenlesen macht mehr Spaß als alleine lesen.

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Connie Ruoff

Mein Name ist Connie Ruoff, ich bin 1960 geboren, habe Philosophie und Germanistik studiert. Damit mir zu Hause nicht langweilig wird, studiere ich"Bloggen professionell gemacht" in der Fernakademie. Ich lese alles, was ich finden kann.

3 Kommentare zu „Aus den Papieren eines Wärters: Die Falle / Rezension“

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