Aus den Papieren eines Wärters. Das Bild des Sisyphos/

Ergebnisse aus der Facebook Lesegruppe zu „Das Bild des Sisyphos“

Unsere kleine Lesegruppe besteht aus gerade mal wenig mehr, als einer Handvoll Leser. Aber wir lesen sehr genau! Hier sind die Ergebnisse zu „Das Bild des Sisyphos“ in: „Aus den Papieren eines Wärters (WA 19). Und wir diskutieren am Wochenende mit offenen Türen und freuen uns, wenn ihr mitdiskutieren möchtet, oder auch nur lauschen möchtet. Einfach unsere Gruppe „Wir lesen Dürrenmatt“ besuchen. Und ich komme zum nächsten Punkt, unserem Leseplan.

Eigentlich wollten wir im März mit WA 20 „Der Richter und sein Henker“ beginnen, aber das wird sich jetzt ca. um einen Monat verschieben, weil wir uns dazu entschieden haben, jede Erzählung ausführlich zu besprechen. Am Wochenende 6./7. März widmen wir uns den Text: „Die Stadt“.

„Das Bild des Sisyphos“ gehört in die Gruppe II der Frühen Prosa

Zur zweiten Einheit der frühen Prosa gehören „Der Hund“, „Das Bild des Sisyphos“, „Der Theaterdirektor, und „Die Falle“. In dieser zweiten Einheit geht es um Kunst. Vielleicht kann man es gezielter, die zum Scheitern verurteilte Produktion von Kunst, nennen. „Das Bild des Sisyphos“ ist als düstere Parabel geschrieben.

Zum Inhalt „Das Bild des Sisyphos“

Es geht um den Aufstieg und den Fall eines Kunstmalers. Durch die Fälschung und den Verkauf eines Bildes von Hieronymus Bosch, ist der Maler unbeschreiblichen reich geworden.

Der Text ist, wie die meisten von F. D.s frühen Texten sehr dicht und in Gleichnissen geschrieben. Es ist immer gut, die W-Fragen im Kopf zu haben und zu beantworten.

Wir haben wieder das Erzähler-Ich, das Vor ca. 4 Monaten durch ein halb-vereistes Fenster, beobachtet hat, wie Kinder, davon eines mit einer roten Jacke ein Kartenhaus auf einem Tisch aufgebaut haben. Als sie damit fertig waren, haben sie nicht, wie wir das von Kindern erwarten, das Haus mit Spaß zerstört, sondern haben es genau so sorgsam wieder abgebaut.

Dann wird das verschwommene Bild des Unglücklichen,langsam schärfer. Der Maler bekommt eine Bezeichnung, einen Namen: Rotmantel. Dessen Macht begründet sich auf das erhaltene Geld für ein Verbrechen. Diesem Motiv werden wir noch einige Male begegnen.

Auch der Hinweis, dass Erinnerungen keine Fakten sind, benutzt F. D. gerne. Besonders deutlich spielt er damit im Roman „Justiz“.

Bei dem Gespräch des Ich-Erzählers mit dem Arzt, bin ich hin- und hergerissen, es zum einen als Sisyphos-Arbeit und zum anderen als die Durchwanderung eines Labyrinths, als eine Art stetig mahlende Mühle, ohne ein Ergebnis zu fabrizieren, zu sehen.

Wir sind jetzt wieder bei der Fälschung des Bildes. Was steckt dahinter? Was möchte Rotmantel?

Der arme Kunstmaler will aus dem NICHTS – ETWAS machen.

Eine sogenannte „Creatio ex nihilo“. Ein klarer Hinweis auf Nihilismus. Aber beachte, dass es sich bei Max Stirners Nihilismus Schrift um das „Nichts“ des Schöpfers handelt.

„Ich bin [nicht] Nichts im Sinne der Leerheit, sondern das schöpferische Nichts, das Nichts, aus welchem Ich selbst als Schöpfer alles schaffe.“ (creatio ex nihilo)

Rotmantel und der Bankier bekämpfen sich wegen des Bildes solange bis der Maler zwar das Bild wieder hat, dafür aber Vermögen und Verstand verloren hat. Es gibt nur Verlierer.

Dürrenmatt und die Mythen – „Das Bild des Sisyphos“

Dürrenmatt schreibt in den Stoffen, Schriftsteller sollten nicht nach chronologischen und literaturgeschichtlichen Kritierien eingeordnet werden, sondern nach „Urstrukturen, Urmotiven und Urbildern“, die sie verwenden. „

Dazu gehören in Dürrenmatts Fall die Mythen, die er mehrfach immer wieder, auf unterschiedliche Art und Weise bearbeitet und damit experimentiert: Atlas, Prometheus, Sisyphos, Midas, Herkules, den Minotaurus im Labyrinth. Für Dürrenmatt ist jegliches neues Suchen oder Finden von beliebigen Stoffen, „ein Zurückgehen auf Mythen“.

F. D. sah im Mythos eine Urkonstellation oder Erscheinung, die mit dem Menschen verbunden ist. Sozusagen ist der Mythos unsere menschliche Heldenreise, um uns im Leben zu behaupten hilft. Im Mythos sind Themen wie „das Welt-Ertragen, Rebellion, das Nie-Aufgeben, Macht, Heldentum, menschliche Verlorenheit in einer undurchschaubaren Welt“. (Vgl. Dürrenmatt-Handbuch.

Wenn wir in die Biografie von Ulrich Weber schauen, finden wir dazu:

Man sollte sich davor hüten, Dürrenmatts Biographie von der Phase der Großerfolge her zu lesen, sondern sich im Gegenteil immer wieder klarmachen, welchen unverbrüchlichen Glauben an die eigene Berufung, welchen unbändigen Willen und welch ungeheure Energie er aufbringen musste, um sich in den ersten zehn Jahren als Schriftsteller mit seiner Familie durchzuschlagen. Angesichts der vielen gesundheitlichen Probleme, mit denen sowohl Fritz als auch Lotti zu kämpfen hatten, konnten neben dem Meisterbettler Akki auch Hiob, Sisyphos oder Tantalus als Selbstbilder nicht fernliegen, auch wenn Dürrenmatt wenig darüber klagte.

Dürrenmatt und die Parabel – „Das Bild des Sisyphos“

Karl Jaspers hielt 1945/46 die „aufsehenerregende Vorlesung „Die Schuldfrage“, darin unterschied er vier Arten von Schuld im Verhalten der Deutschen zur Zeit des Nationalsozialismus: kriminelle, politische, moralische und metaphysische. In dieser Zeit stießen die Parabeln Dürrenmatts auf großes Interesse. Die Frage von individueller und kollektiver Schuld war ein Teil derAufarbeitung der Nazivergangenheit.

Die Gattung Parabel

Eine Parabel gibt den Inhalt verschlüsselt an Leser:innnen, Zuchauer:innen oder Hörer:innen weiter. Dieser hat nun die Aufgabe den Text zu entschlüsseln.

Wir unterscheiden dabei die Bildebene (metaphorische Ebene) und die Sachebene (Deutungsebene. Die Bildebene ist das Gezeigte, während die Sachebene das Gemeinste ist. Nun gilt es das „tertium comparationis“ zu finden, das Verbindungsglied, was die beiden gemeinsam haben und dies weiter zu DENKEN.

Ganz im Sinne der Aufklärung soll der Mensch zu einem selbstdenkenden, Kritischen Individuum erzogen werden.

Friedrich Dürrenmatt. Eine Biographie

Friedrich Dürrenmatt ist einer der faszinierendsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Er war ein Erzählgenie,
das es verstand, sein Lesepublikum mit abgründigen Parabeln und spannenden Kriminalgeschichten zu packen, um es zu Fragen von Recht, Moral und Wissen hinzuführen, die einen ohne beruhigende Antwort lassen. Ein Dramatiker, der die Formen der Theatergeschichte von der antiken Tragödie bis zur modernen Salonkomödie virtuos kombinierte, um daraus sein eigenes, von schwarzem Humor geprägtes Welttheater zu konstruieren. Ein Satiriker von schonungsloser Schärfe, der die Mächtigen und Großen mit seinem Spott überzog. Ein philosophischer und politischer Denker, der seinen Weg als Einzelner ging und sich widerspenstig den Modeströmungen seiner Zeit entzog.

Weber, Ulrich: Friedrich Dürrenmatt. Eine Biographie. Einleitung.

Interpretationsansätze „Das Bild des Sisyphos“

Auch bei diesen Text kann man erkenntnistheoretisch, religionskritisch, existentialistisch oder mit Gedanken der Theodizee weiter interpretieren. An dieser Stelle möchte ich dem Leser den Ball zu werden mit den Worten:

Sapere aude!

dem Wahlspruch der Aufklärung: Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Wie schon erwähnt, hat der Leser die Aufgabe, den Text zu entschlüsseln.

Weiter zu:

Teile diesen Beitrag
Benutzerbild von Connie Ruoff

Connie Ruoff

Mein Name ist Connie Ruoff, ich bin 1960 geboren, habe Philosophie und Germanistik studiert. Damit mir zu Hause nicht langweilig wird, studiere ich"Bloggen professionell gemacht" in der Fernakademie. Ich lese alles, was ich finden kann.

4 Kommentare zu „Aus den Papieren eines Wärters. Das Bild des Sisyphos/“

  1. Pingback: Werkausgabe 21 Erzählungen | Rezension| SCHREIBBLOGG 2021

  2. Pingback: Prosawerk - Ich Lese Dürrenmatt | SCHREIBBLOGG 2021

  3. Pingback: Die Falle | Friedrich Dürrenmatt | SCHREIBBLOGG 2021

  4. Pingback: Frühe Prosa WA 19 | Wir Lesen Dürrenmatt | SCHREIBBLOGG 2021

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen
%d Bloggern gefällt das: