Buchrezension „Veronika beschließt zu sterben“ von Paulo Coelho
Zusammenfassung/Inhalt „Veronika beschließt zu sterben“
Ich genieße Paulo Coelhos Bücher. Sie sind immer mit einer Botschaft oder Prämisse verbunden, die den Leser oftmals die eigene Vergangenheit reflektieren lässt. Er macht es einem nicht immer einfach. So ist es natürlich auch mit „Veronika beschließt zu sterben“.
Das Buch wurde 1998 erstmals veröffentlicht. Die Geschichte spielt in Slowenien, genauer gesagt in der Hauptstadt des Landes – Ljubljana. Eine junge Frau lässt den Leser daran teilnehmen, wie sie Tabletten schluckt und auf den Tod wartet. Es kommt anders. Sie wacht in der Psychiatrie auf.
Ausflug in Paulo Coelhos Vita
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Ausflug in Paulo Coelhos Vita machen. Paulo Coelho wurde 1965 von seinen Eltern aus den nebenstehenden Gründen In die Psychiatrie eingewiesen.
Nach vier Wochen wurde er mit der nebenstehenden Diagnose entlassen:
Er widersetzt sich weiterhin seinen Eltern und wird wieder in die Psychiatrie zwangseingewiesen. Viele Szenen, die der Autor in „Veronika beschließt zu sterben“ verschriftet hat, erlebte er selbst. Er weiß, wovon er spricht. Er weiß, welche Auswirkungen Elektroschocks auf Körper und Seele haben.
„Paulo sei reizbar, verhalte sich feindselig, sei ein schlechter Schüler und „stellt sich sogar politisch gegen seinen Vater“.
„Patient mit schizoider Persönlichkeit, sozialen und affektiven Kontakten gegenüber abweisend. Beschäftigt sich vorzugsweise allein mit sich. Ist unfähig, Gefühle auszudrücken und Freude zu empfinden.“
Zurück zu „Veronika beschließt zu sterben“
Auf Seite 23 findet der Leser einen erklärenden Einschub von Paulo Coelho, wie es dazu kam, dass „Veronika versucht zu sterben“ geschrieben wurde.
Veronika hadert lange damit, dass der Suizidversuch nicht erfolgreich war. Und dann geschieht etwas, was zu einer Veränderung führt. Veronika fängt zu kämpfen an. Sie kämpft um ihr Leben. An dieser Stelle möchte ich einen weiteren kleinen Ausflug zur Vita Paulo Coelhos machen.
„Siehe, ich habe euch Vollmacht verliehen, auf Schlangen und Skorpione zu treten, und über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch beschädigen.“
Paulo Coelho, das Lucas Evangelium und der Sufismus
Mit diesem Zitat aus dem Lucas Evangelium eröffent Paulo Coelho „Veronika beschließt zu sterben“.
Wie darf ich das links angeführte Zitat verstehen? Stehen Schlangen und Skorpione für Teufel und Dämonen? Heißt das, dass ich die Kraft verliehen bekommen habe, mich der Versuchungen zu erwehren?
Ich glaube, da steckt noch mehr dahinter. In „Hippie“ (erschienen 2018), schreibt Paulo Coelho über die Zeit ab 1969 und dass er dabei dem Sufismus näherkam. Er widmet dieses Buch einigen großen Sufi-Meistern und Paulus, den wir als Apostel und Verfasser der paulinischen Briefe kennen. In dieser Widmung bekennt er sich zum Sufismus, den er Ende der 60er Jahre entdeckt hat.
Ein kleiner Ausflug in den Sufismus
Muss man zum Islam übertreten, um zu lernen ein Sufi zu sein?
Laut Wikipedia folgt die Lehre bzw. der Weg der Sufis vier Stufen (indischer Raum) siehe auch „der Weg des Derwisch“.
Mittelpunkt der sufistischen Lehre ist die Liebe! Liebe, die als „Hinwendung zu Gott“ zu verstehen ist. Liebe, die man für das eigene Leben und die Mitmenschen empfindet. Die Achtung voreinander. Achtsamkeit gegenüber dem Leben.
„Nein. Du musst nur ein Gelöbnis abgeben, dich dem Weg Gottes zu überantworten. Sein Gesicht zu sehen, wann immer du ein Glas Wasser trinkst. Seine Stimme zu hören, wann immer du auf der Straße an einem Bettler vorbeikommst. Das predigen alle Religionen, und das ist das einzige Gelöbnis, das du abgeben musst.“
„Daher sagte ich zu mir: Das Schicksal des Unvernünftigen wird auch meines sein.“
Was hat das mit „Veronika beschließt zu sterben“ zu tun?
Die Gemeinschaft in der Psychiatrie zeigt ihr, dass sie sich keine Gedanken, darüber machen sollte, was andere über sie denken.
Sie soll sich ganz der Liebe hingeben. Nur dadurch kann sie geheilt werden. Nur mit ein bisschen Verrücktheit erträgt man das Rollenspiel in der Gemeinschaft.
Paulo Coelho verwendet hier das schöne Bild des Hofnarren, der weil er als verrückt gilt, seinem König als Einziger ungestraft die Wahrheit sagen. Freiheit durch Verrücktheit?
Sprachliche Gestaltung
Paulo Coelho lässt in diesem Roman nicht nur Veronika zu Wort kommen, sondern auch Mari und Edouard. Beide sind ebenfalls Patienten in der Psychiatrie. Das sind keine Irren oder Verrückte. Es handelt sich um normale Menschen, die mit einem Aspekt ihres Lebens in der Gesellschaft nicht zurechtkommen. Sie können nicht damit umgehen. Sie fühlen sich in der Psychiatrie frei, weil niemand von ihnen erwartet einer Rolle gerecht zu werden. Ist man verrückt, wenn man die von einem erwartete Rolle, nicht zufriedenstellend einnimmt?
Vor allem, wer oder was ist das Maß für Normalität?
Der Sprachstil ist nüchtern schön und dennoch poetisch. Damit will ich sagen, er nennt die Dinge schnörkellos mit einer genau gewählten Sprache beim Namen.
Cover und äußere Erscheinung
Ich habe die sechsbändige Geschenkausgabe des Diogenes Verlags letztes Jahr von meinem Mann bekommen. Ich finde diese Ausgabe sehr schön, weil jeder Band in einer anderen Farbe ist. Wie ein Regenbogen. Die Ausgabe enthält:
„Veronika beschließt zu sterben“
„Brida“
„Elf Minuten“
„Auf dem Jakobsweg“
„Die Hexe von Portobello“
und natürlich „Der Alchimist“
Die Bände sind in einem gelbgrünen Schuber. Womit wir sieben Farben hätten.
Gibt es ein Hörbuch?
Ja, ich habe es drei- oder viermal gehört. Das Buch hat eine Hördauer von 5 Stunden und 33 Minuten, und wird von Ursula Illert gesprochen. Natürlich ist es ungekürzt. Ich höre keine gekürzten Hörbücher.
Ursula Illert liest es zart und einfühlsam. Kopfkino klappt prima.
Meine Schlussgedanken zu „Veronika beschließt zu sterben“
Paulo Coelho schreibt über gewöhnliche Menschen. Oder besser ausgedrückt: Der Autor schreibt über Menschen, wie dich und mich, weil ich glaube, dass er an jedem durchschnittlichen Mensch etwas Außergewöhnliches findet, das es wert ist, hervorgehoben zu werden. Zumindest vermittelt er mir diese Botschaft.
Indem er von diesen Menschen geradezu liebevoll erzählt, motiviert er seine Leser das eigene Leben zu reflektieren und nach Gemeinsamkeiten mit seinen Figuren zu suchen. Der Leser, zumindest ich, identifiziere mich mit seinen Helden.
Aber alle seine Protagonisten haben eine Gemeinsamkeit. Alle sind auf der Suche. Wonach? Santiago (Der Alchimist) ist auf der Sucher nach der Liebe und dem Sinn des Lebens, Paolo (Hippie) ist auch auf dieser Suche. Linda (Untreue) trifft Veronika und die anderen auf diesem Weg. Und alle suchen und finden sich auf diesem auch das eigene Ich.
Diese Botschaft gefällt mir außerordentlich gut. Ich glaube, gerade in unserer heutigen Zeit, verlieren wir uns oft selbst. Ein Rausch an Sinneseindrücken prescht auf uns herein. Die ruhigen Augenblicke sind rar. Paulo Coelho erinnert uns mit seinen Büchern daran, unsere Rolle auch einmal zu verlassen und den Hofnarren zu spielen, damit wir hinter unsere Fassade blicken können. Vielleicht entdecken wir Spannenderes, als wir vermuten.
Vielleicht erkennen wir auch, dass das Glück schon lange bei uns wohnt, wir es aber übersehen haben.
Ich empfehle Paulo Coelhos Bücher für etwas mehr Achtsamkeit im Leben, nicht nur anderen gegenüber, sondern auch für uns selbst. „Veronika beschließt zu sterben“ steckt voll Lebensfreude.
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