Ich bin wieder hier – oder wer ist Marius Müller-Westernhagen?

Friedrich Dönhoff zeichnet ein beeindruckendes Bild von Marius Müller-Westernhagen. Chronologisch skizziert er den Leser:innen, Stationen aus Westernhagens Leben. Als Sohn eines Schauspielers lernte er schnell, die sich ihm bietenden Möglichkeiten, zu nutzen. Er arbeitete als Sprecher, Schauspieler, Sänger und Texter, ebenso war er als Fußballer unterwegs.

Heute ist er nicht mehr aus der Musikszene wegzudenken. Erfolgreich im In- und Ausland. Er gehört zu den Künstlern, die sich politisch bekennen und Unrecht anprangern.

„Ich bin mit einer schwarzen Frau verheiratet und habe mir mit der Borniertheit eines weißen liberalen Menschen lange angemaßt, verstehen und nachempfinden zu können, was Menschen mit anderer Hautfarbe als wir seit Jahrhunderten erleiden. Ich habe durch die Tränen, die Verzweiflung und die maßlose Wut meiner Frau und anderer schwarzer Freunde in dieser Zeit erfahren müssen, dass diese Haltung ignorant ist.“

S. 36.

Friedrich Dönhoff zeigt anhand der Zeitgeschichte Deutschlands, die Entwicklung Westernhagens.

Das Portrait von Marius Müller-Westerhagen

Auf ca. 240 Seiten bringt Friedrich Dönhoff, das Leben von Marius Müller-Westernhagen, den Leser:innen nahe. Es zeigt eine Beziehung, zwischen Autor und Künstler, die immer freundschaftlicher wurde. Sie kommen sich während und durch die Gespräche näher, daraus entwickelt sich ein persönliches Portrait, das authentisch bleibt. Friedrich Dönhoff beschreibt eine Persönlichkeit, die sich mit den eigenen Texten identifiziert und diese immer wieder neu hinterfragt. 

Westernhagen wurde nicht über Nacht zum Star. Dönhoff illustriert den Weg dorthin: Das Elternhaus und den Vater, der unter dem Intendanten Gustav Gründgens am Theater spielte. Westernhagens erste eigene Schritte als Schauspieler und Hörbuchsprecher, seine Zeit in der „Villa Kunterbunt“ mit Udo Lindenberg und vielen anderen Künstlern.

Es sind die Alltagsgeschehnisse, die Dönhoff den Leser:innen erzählt. Wie er sich, zusammen mit Marius, einen Stoff für einen Bettüberwurf anschaut. Und genau diese Alltäglichkeiten zeigen Marius Müller-Westernhagen so menschlich. Er öffnet sich, ohne Misstrauen oder Starallüren.

Durch Gesprächsausschnitte wird das Buch sehr lebendig. Westernhagen hat den Journalisten bzw. Autor Friedrich Dönhoff im eigenen Zuhause empfangen. Der Künstler hatte Vertrauen und war bereit, etwas von sich preiszugeben.

Auch sehr persönlichen Fragen wich er nicht aus. Auf die Frage Dönhoffs, ob er auch erotische Erlebnisse mit Männern hatte, verneinte er und sagte:

„Ich bezeichne mich ja selbst scherzhaft als vom Kopf bis zur Hüfte schwul, weil einige der größten Klischees über schwule Männer auch auf mich zutreffen. Ich kann stundenlang in Mode- und Interieurmagazinen herumblättern, Maria Callas rührt mich zu Tränen, ich habe, glaube ich, auch ein gutes Gefühl und eine Leidenschaft für Style, für jegliche Art von Designs eigentlich.“

S. 164

Um das Portrait abzurunden, schrieb Philipp Keel das Nachwort. Der Verleger und CEO des Diogenes Verlags ist mit Marius Müller-Westernhagen befreundet. Man merkt, dass es ein Herzensprojekt war, wenn man die Worte Philipp Keels liest.

„Eigentlich ging es in letzter Zeit fast nur noch um das Buch, und es bedarf keiner Fantasie, dass wir alle vom Umfang des Erinnerten und Erzählten einen Moment überfordert waren. Plötzlich schien es, als könne man das erstaunliche Leben des Marius Müller-Westernhagen gar nicht zusammenfassen. Aber die Passion des Autors, das Engagement von Marius und die Vernunft des Weglassens haben der Sache gutgetan. Die Aufregungen, die jedem Vorhaben folgen, haben letztlich ein außergewöhnliches Portrait hervorgebracht, und, ob er es will oder nicht, es kommt mir vor, als würde unsere Freundschaft gerade noch einmal von vorn anfangen“

Kurzbiografie Friedrich Graf von  Dönhoff

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Der Autor Friedrich Dönhoff ist vielleicht einigen Leser:innen bekannt durch sein Buch, „Die Welt ist so, wie man sie sieht: Erinnerungen an Marion Dönhoff“, das ebenso im Diogenes Verlag erschienen ist. Marion Gräfin Döhnhoff war die Großtante des Autors und stand ihm sehr nahe. Aber Friedrich Dönhoff hat noch mehr geschrieben.

Der 1967 geborene Schriftsteller hat unter andrem auch die „Sebastian Fink“-Krimis (Diogenes) und weitere Biografien geschrieben. Er studierte Geschichte und Politik, jobbte bei Filmemacher Alexander Kluge und bei Zeit-TV. Er machte eine Ausbildung als Drehbuchautor.

Fazit/Kritik „Marius Müller-Westernhagen“

Ich war schon immer ein Westernhagen-Fan. Von „Freiheit“ über „Sexy“ oder „Lola“ zu „Ich bin wieder hier“, hat mir eigentlich fast alles gefallen, und der eine oder andere Liebeskummer wurde mit seinen Liedern verscheucht.  In den 80er-Jahren war ich auf einem seiner Konzerte am Ring.

Besonders gelungen fand ich an diesem Portrait, dass Dönhoff, begleitend zur Biographie bzw. Portrait, die Zeitgeschichte ablaufen ließ.

Natürlich entwirft jeder Mensch selbst ein Bild des Künstlers, des Schriftstellers, des Sportlers oder des Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Das geschieht mittels der öffentlichen Meinung, Presse, Berichterstattung, aber auch, was man selbst in diesem Menschen sehen möchte.

Meine Vorstellung von Marius Müller-Westernhagen fand ich beim Lesen von Friedrich Dönhoffs Portrait wieder. Aber ich habe auch viel Neues erfahren. Es gefiel mir gut, mal hinter die Maske des Stars zu schauen. Vor allem, weil ich das Gefühl hatte, dass Westernhagen gerne diese „Maske“ vor seinem Interviewpartner fallen ließ. Ein wirklich gelungenes Portrait, das sich zu lesen lohnt.

Weitere Rezensionen „Marius-Müller Westernhagen“

Marius Müller-Westernhagen, Friedrich Dönhoff
Hardcover Leinen
256 Seiten
erschienen am 23. November 2022

Weiterführende Links

Diogenes Verlag

„Just Kids“ Patti Smith (Rezension)

„Bericht aus dem Inneren“ Paul Auster (Rezension)

Benutzerbild von Connie Ruoff

Connie Ruoff

Mein Name ist Connie Ruoff, ich bin 1960 geboren, habe Philosophie und Germanistik studiert. Damit mir zu Hause nicht langweilig wird, studiere ich"Bloggen professionell gemacht" in der Fernakademie. Ich lese alles, was ich finden kann.

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