Buchrezension „Der Revolver“ von Fuminori Nakamura
Dieser Beitrag wurde auf Monerls November Highlights verlinkt
„Der Revolver“ war der Debütroman von Fuminori Nakamura und mein zweiter Roman von ihm. Ich hatte 2018 „Die Maske“ gelesen und rezensiert. Schon damals hatte er mich begeistert und dementsprechend neugierig und gespannt war ich auf „Der Revolver“. Fuminori Nakamura hat mich nicht enttäuscht.
„Der Revolver“: Der Inhalt in drei Sätzen oder die Zusammenfassung
Ein junger Mann, Tooru Nishikawa, findet eine Leiche, bei der ein Revolver liegt. Er nimmt diesen Revolver an sich, der fortan sein Leben und die Handlung bestimmt. Nishikawa wird in einen Strudel der Ereignisse hineingerissen.
Beim Lesen erinnerte mich die Konzeption an das Musikstück „Bolero“ von Maurice Ravel. Genauso inszeniert Fuminori Nakamura das Geschehen.
Tooru Nishikawa ist ein ganz normaler durchschnittlicher Student mit Freunden und Affären, über den es am Anfang nicht viel zu sagen gibt. Der Leser lernt ihn durch seine Handlungen, Gefühle und Gedanken kennen. Nicht nur der Protagonist wird von der Handlung mitgerissen, sondern mir ging es als Leser genauso.
Tooru ist nicht pessimistisch, er neigt sich immer mehr einem Nihilismus zu, außer diesem Revolver hat nichts mehr einen Sinn oder Wert für ihn.
„Der Revolver war mein Ein und Alles. Ohne ihn hatte mein Leben keinen Sinn. Ich liebte ihn leidenschaftlich.
„Der Revolver“:Worum geht es?
Es geht um kriminelle Energie, die einmal entzündet, wie ein schwarzes Loch, jeden der ihr zu nahe kommt, den Ereignishorizont betritt, unweigerlich in die Verdammnis führt. Es ist das Aufzeigen einer unausweichlichen Kausalität. Ich würde ihn als einen Crime Noir einordnen, der fast schon Züge einer griechischen Tragödie aufweist.
Es geht um eine Art Besessenheit oder Hörigkeit. Kann man von Objekten besessen sein? Kann man tote Dinge lieben? Diese Hingabe ist auch als Objektsexualität, eine Art der sexuellen Orientierung, bekannt. Der Besessene sieht die Objekte als perfekt, ohne jeglichen Mangel oder Fehler.
„Dazu kaufte ich ein Taschentuch aus dem gleichen Stoff, aber in Schwarz. Um den Revolver zu polieren. Mein Revolver glänzte so sehr, dass es eigentlich gar nicht nötig war, aber durch den Akt des Polierens, davon war ich überzeugt, würde unsere Beziehung immer tiefer und enger werden.“
Seite 40
Tooru verändert sich, vor allem sein Sozialverhalten ändert sich.
Wird sich Tooru aus diesem Strudel noch befreien können?
Obwohl Tooru durchaus, wie schon erwähnt, einen Freundeskreis und mehr als eine Beziehung hat, zeigt das Buch die Einsamkeit in der Großstadt. Es sind eher oberflächliche Beziehungen. Tooru wurde von seinen Eltern als kleines Kind adoptiert, vielleicht ist das der Grund! Fehlendes Urvertrauen. Die Angst, verlassen zu werden. Obwohl Tooru rückblickend, seine Adoption als Rettung betrachtet. In seinem Leben und den Beziehungen fehlt die Intimität.
„Der Revolver“ ist durchgehend aus der Perspektive Tooru Nishikawas und in der Ichform geschrieben. Der Roman wird geradezu zu einem Psychogramm.
Die Spannung ist extrem hoch. Ich musste auf den letzten Seiten mehrfach das Buch aus der Hand legen, weil es mich so ergriffen hat und ich glaubte vorherzusehen, wie es ausgeht und ich wollte nicht, dass es auf diese Weise endet. Tooru rennt mit offenen Augen ins Messer.
Der Autor wählt so eindringliche, Beschreibungen, dass sich der Leser nicht entziehen kann:
„Der Ausdruck auf dem Gesicht der Katze war kläglich. Unverwandt starrten mich ihre Augen an, ließen nicht mehr von mir ab. Auch ihr Schreien hörte nicht auf. Je länger, je mehr glaubte ich, das Schreien müsse aus meinem eigenen Kopf kommen, und auf einmal erlosch alles.“
Das Covermotiv ist Andy Warhols „Gun“. Sehr passendes Motiv! Gefällt mir außerordentlich gut!
Der Text wurde aus dem Japanischen, wie schon „Die Maske“ von Thomas Eggenberg übersetzt, der selbst einige Jahre in Japan gelebt und gearbeitet hat.
Fazit/Kritik „Der Revolver“: Was nehme ich aus der Lektüre mit?
Fuminori Nakamura zeigt hier eine meisterhafte Choreografie, ohne dass es konstruiert wirkt. So würde ich gerne schreiben können.
Wer kennt nicht das Gefühl, einer Sache oder einem Menschen verbunden zu sein, das oder der einem selbst nicht gut tut und dennoch kann man sich nicht lösen?
Steckt in jedem von uns das Böse? Ja! Ich, ich glaube schon! Ich glaube auch an einen freien Willen, der uns die Möglichkeit bietet, dem Bösen die Stirn zu bieten und uns abzuwenden. Sicherlich ist es hilfreich, wenn man den eigenen Platz im Leben gefunden hat. Schwierig wird es für die, die von der Gesellschaft ausgegrenzt leben, oder sich selbst ausgrenzen. Auch eine liebevolle Kindheit trägt positiv dazu bei. Aber der Einzelne muss sich selbst für das Gute entscheiden und diszipliniert die Verführungen abwehren. Jeder von uns wird täglich verlockt, verführt oder aufgefordert, unsere eigenen Grenzen in eine Richtung zu verlassen, die nicht „gut“ ist.
Es ist nicht einfach, täglich die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das ist die Komplexität des Lebens. Genau das will der Autor aufzeigen, und dass es schwierig ist, die einmal eingeschlagene Richtung zu ändern.
Von mir gibt es eine riesengroße
L E S E E M P F E H L U N G
@Diogenes Ein herzliches Dankeschön für das schöne Rezensionsexemplar!
Hardcover Leinen
192 Seiten
erschienen am 25. September 2019
978-3-257-07061-3
Weitere Rezensionen und Links zum Buch
Rezension „Die Maske“ von Fuminori Nakamura
Der Autor und seine Bücher bei Diogenes
Bayern 2
Literaturkritik Lisette Gebhardt