Ein tragischer Held
Interpretation, Analyse und Personenbeschreibungen
Zusammenfassung/Inhalt „Der Tafikant“
„Der Trafikant“ von Robert Seethaler ist ein Buch über das „Erwachsen werden“ – ein Adoleszenzroman. Franz Huchel wächst wohlbehütet im Salzkammergut bei seiner Mutter auf. Als ihr Gönner verstirbt, geht Franz in die Lehre bei einem Wiener Trafikanten, der seiner Mutter noch einen Gefallen schuldig ist.
Franz lernt nun von seinem Lehrherrn Otto Trsnjek, dass es wichtig ist, umfassend informiert zu sein. Als er Sigmund Freud begegnet, ist er fasziniert. Im Laufe der Zeit entwickelt sich zwischen dem Professor und Franz eine Freundschaft. Anfangs von Freud etwas gönnerhaft behandelt, erkennt dieser schnell den wachen Verstand des jungen Mannes.
Freud kann noch rechtzeitig nach London ausreisen. Die einzelnen Lebensgeschichten werden vom Nationalsozialismus überrannt.
Die Einzige, die diese Zeit überlebt hat, die am Ende noch erwähnt wird, ist die Böhmin Anezka. Sie hat sich den Verhältnissen angepasst und sich auf die Seite der Nationalsozialisten gestellt. Alle anderen wurden wohl Opfer des Systems. Franz Huchels Schicksal bleibt offen.
5/5 Punkten
Protagonisten „Der Trafikant“
Franz Huchel unternimmt eine Heldenreise. Er macht seine ersten sexuellen Erfahrungen. Als er in Wien ankommt, ist er der naive Junge vom Lande. Anezka nennt ihn „Burschi“. Er kann Anezka nicht für sich gewinnen. Sie nimmt ihn als Partner nicht ernst. Sie glaubt sich bei ihm nicht sicher und nimmt sich einen Gestapo Offizier zum Freund. Durch dieses opportunistische Verhalten überlebt sie, auf den ersten Blick, unbeschadet.
Otto Trsnjek ist kriegsversehrt und hat nur noch ein Bein. Er ist ein offener Bürger, der seine Meinung laut und deutlich verkündet. Als Otto von der Gestapo geholt wird und nicht mehr wiederkommt, ist der naive Junge vom Lande, desillusioniert und erwachsen geworden.
Es ist eine nette Idee, dass Sigmund Freud einen jungen Mann in Liebesdingen berät. Könnte das wirklich geschehen sein? Warum nicht?
Sigmund Freud ermutigt Franz, ein Mädchen kennenzulernen. Das ist sein sehnlichster Wunsch.
„Bislang haben das noch die allermeisten geschafft.“
Freud rät Franz, seine Träume aufzuschreiben. In diesen Traumzetteln verbindet Franz seine eigenen Erlebnisse mit der Atmosphäre des Nationalsozialismus.
Diese nächtlichen Protokolle veröffentlicht er im Trafikschaufenster. Diese Transparenz seiner Gefühle und seiner Betrachtung des Zeitgeschehens zeigt seine Individualität. Er bezieht Stellung. Er schreibt die Träume auf, aber er interpretiert sie nicht. Das überlässt er den Lesern seiner Traumzettel.
„Die Liebe kommt und geht, und man kennt sich vorher nicht aus und man kennt sich nachher nicht aus und am allerwenigsten kennt man sich aus, wenn sie da ist.“ S. 170
Deine Mutter
Brief der Mutter
Die Dialoge zwischen Sigmund Freud und Franz zeigen dem Leser, wie aus dem ehemals naiven Jungen ein Mann wird und zeitgleich die politische Lage immer bedrohlicher wird.
Das ist „Die Traumdeutung“ von Sigmund Freud im Alltag angewendet.
„Schleich dich, Judenfreund!“ S. 61
Der erste Anschlag auf die Trafik
Letztendlich setzt Franz ein Zeichen!
Sprachliche Gestaltung
Unspektakulär erzählt Robert Seethaler die Geschichte des Trafikanten. Es geht nicht nur um die Worte die der Autor spricht. Es geht auch um die Worte, die der Autor weglässt. Der Autor erinnert den Leser an unser kollektives Gedächtnis. Wir alle haben über die Verhörmethoden der Nazis schlimme Dinge gehört. Der Hörer oder Leser füllt die Leerstellen mit Leben, ob er das möchte oder nicht.
Der Roman wurde 2016 als Theaterstück im Salzburger Landestheater uraufgeführt.
5/5 Punkten
Cover und äußere Erscheinung
Das Cover gefällt mir gut. Ein Zeitungsleser in der damaligen Zeit und entsprechender Kleidung.
5/5 Punkten
Hörbuch und Print „Der Trafikant“
Robert Seethaler liest selbst dieses berührende Hörbuch. Er liest es ohne Effekthascherei oder um es anzupreisen. Nein er erzählt eine Geschichte, die in dieser Zeit wohl überall in Österreich oder sonst wo, wo die Nationalsozialisten sich ausgebreitet haben, so oder so ähnlich geschehen ist.
Der Trafikant
Robert Seethaler
Flexibler Einband: 256 Seiten
Erschienen bei Kein & Aber, 04.11.2013
ISBN 9783036959092
Genre: Romane
Der Trafikant
Robert Seethaler
herunterladbare Audio-Datei
Erschienen bei tacheles! / Roof Music, 21.11.2014
ISBN B00PJDKB9I
Genre: Romane
Der Trailer zum Film „Der Trafikant“
Nähere Informationen zum Film Wikipedia
Fazit / Kritik „Der Trafikant“
Juden werden angeprangert, Mitbürger, die ihre eigene Meinung vertreten, werden denunziert und verlieren das Leben. Diesem System fallen aufrechte Bürger zum Opfer, während Opportunisten die Hölle überleben. Vielleicht berührt diese Geschichte so sehr, weil Autor und Leser wissen, dass Franz Huchel nur ein Stellvertreter für viele andere Menschen in dieser Zeit ist. Er ist kein Einzelschicksal.
Ein junger Mann, der ehrlich und mit Gefühl, sich auf das Gute in der Welt besinnend, ein letztes Statement gegen das System setzt, obwohl er weiß, dass es ihm zum Verhängnis werden wird.
Sechs Stunden Hörvergnügen! Ja trotz des traurigen Themas und des historischen Umfelds, das einen erschauern lässt, ist es ein Hörvergnügen. Robert Seethaler nimmt den Hörer unaufdringlich mit ins Geschehen. Durch seine sehr schöne Sprache und den passenden Worten, erscheint der Nationalsozialismus noch brutaler und roher. Ich litt und bangte mit den Charakteren.
Robert Seethaler gelingt es, dem Hörer die Atmosphäre der Bedrohung und Angst zu vermitteln. Ich habe mir mehrfach die Frage gestellt, wie ich mich selbst, in der einen oder anderen Situation verhalten hätte. Wirklich weiß man das nur, wenn man tatsächlich in dieser Situation ist.
Ich vergebe insgesamt 5/5 Punkten.
Links zu „Der Trafikant“ von Robert Seethaler
Hörbücher von Robert Seethaler bei Roof Music.
Trailer zum Film 2018
Schriftsteller und Schauspieler Robert Seethaler – „Schreiben ist die reine Hölle“ – Robert Seethaler im Gespräch mit Katrin Heise Quelle: dlf kultur 10.10.2018
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Rezension „Das Feld“ von Robert Seethaler
Rezension NSA – Nationales Sicherheitsamt von Andreas Eschbach
Rezension „Vergesst unsere Namen nicht“ Simon Stranger