«Hegels Welt» von Jürgen Kaube wurde für den Deutschen Sachbuchpreis 2021 nominiert

Buchvorstellung „Hegels Welt“ von Jürgen Kaube

Aufklärung und Idealismus

Jürgen Kaube ist kein Neuling im Literaturbetrieb, er ist nicht nur Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 2012 wurde er vom „medium magazin“ als Journalist des Jahres im Bereich Wissenschaft ausgezeichnet, 2015 erhielt er den Ludwig-Börne-Preis. 2014 veröffentlichte er eine Max-Weber-Biographie und 2017 „Die Anfänge von Allem“.

«Hegels Welt» von Jürgen Kaube wurde für den Deutschen Sachbuchpreis 2021 nominiert. Der mit insgesamt 42.500 Euro dotierte Deutsche Sachbuchpreis der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wird am 14. Juni 2021 in Berlin verliehen. Gesucht wird, ein herausragendes, in deutscher Sprache verfasstes Sachbuch, das Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung gibt. (Pressemitteilung vom 6.04.2021 Rowohlt Verlag). 

In „Hegels Welt“ betrachtet Jürgen Kaube nicht nur das Leben und Schaffen des großen deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, sondern erweckt auch diese Zeit des Umbruchs zum Leben.

Zum Inhalt „Hegels Welt“

Jürgen Kaube gibt dem Leser eine Einführung zum Begriff Idealismus. Die Philosophie des Idealismus nimmt sich selbst in den Focus. Vor allem Die Struktur des Bewusstsein, die Struktur des Selbstbewusstseins, sind von Interesse. (Die Kant’schen Kritiken. Materialistische und empiristische Denkschulen der Aufklärung).

Die Epoche der Aufklärung benennt Hegel mit den Worten:

„Alles ist nützlich“.

Einbildungskraft, Wissen, politische Ambitionen und technisches Vermögen expandieren.

Hegel erinnert, dass eine Erfindung keineswegs eine „Creatio ex Nihilo“ (Schöpfung aus dem Nichts“) ist. Hegel war kein Schwärmer, sondern ihm war klar, dass „Nichts“ aus „Nichts“ geschaffen werden kann. Eine Erfindung ist eine Verbesserung des Bisherigen.

Es gibt eine gemäßigte deutsche Aufklärung. Das Nützlichkeitsdenken der Aufklärung verbindet die Intelligenz mit sozialen Umständen.

Kaube geht auf einzelne Stationen von Hegels Denken und Schaffen ein: Bekannt heißt noch lange nicht erkannt. Vertrautheit kann ein Erkenntnishinderungsgrund sein. Das Merkmal wissenschaftlichen Denkens, die Empirie hierin sehr erfolgreich.

Wie schon erwähnt stehen, Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Subjekt, das Denken, der Geist als Zentrum der Welt, im Focus. Vertreter sind Kant, Jacobi, Reinhold, Fichte, Schelling, Hölderlin und Hegel.

Die Welt wird sozusagen auf den Kopf gestellt. Kant bezeichnet sich als ersten Idealisten.

Der Begriff der Zeit spiel eine große Rolle. „Nacheinander“ setzt den Begriff der Zeit voraus – Konzept der unterschiedlichen Zeitpunkte. Das erkenntnistheoretische Interesse unterscheidet zwischen a priori (vor jedem Versuch und vor den Sinneseindrücken), a posteriori (durch Erkenntnis und Sinneseindrücke gewachsen). A priori kann im Gegensatz zu a posteriori nicht durch das Indiividuum beeinflusst werden.

Die Kritiken sind „Logiken“, sind Versuche, alle Begriffe des menschlichen Selbstverständnisses aus Gedanken herzuleiten. „Die Welt in ihrer Gesamtheit zu begreifen“ ist die Prämisse des Idealismus.

Hierbei hilft die Hegelsche Dialektik, durch die Überwindung von Gegensätzen, wie Geist und Welt, Seele und Leib, das Ich und Natur, Begriff und Anschauung.

In Deutschland fand eine Bildungsrevolution statt. Im Tübinger Stift gab es einen regen Austausch mit Hegel, Schelling und Hölderlin. Hegel hat die Sphäre der Bildung nie verlassen, abgesehen davon, dass er „Sophiens Reise ins Memelland…“ so anregend fand,.

Hegel liest, weil die Bibliothek an einem Samstag kein anderes Buch anbot, den französischen Ästheten Charles Batteux, aber auch Herodot, Livius und mit großer Begeisterung den Briefroman «Sophiens Reise von Memel nach Sachsen» von Johann Timotheus Hermes, einen zeitgenössischen Bestseller. Später wird sich der gehässige Schopenhauer, der nie verlegen war, Hegel am Zeug zu flicken, darüber lustig machen und sagen, er seinerseits habe als Jugendlicher Homer der «Reise von Memel nach Sachsen» vorgezogen

Kaube, Jürgen: Hegels Welt. S. 26.

Der Philosoph Hegel beschäftigt sich auch mit den menschlichen Sinnen. Wie sieht es mit unserer Erkenntnisfähigkeit aus? Er bezieht sich dabei auch auf Kants „Kritik der reinen Vernunft“, wonach das „Ding an sich“ nicht von uns Menschen erkannt werden kann. Demzufolge ordnet Hegel den Glauben unter Ritual und Aberglauben ein.

Hegel interessierte sich dafür, welche Berechtigung es gibt, zu glauben. Er sieht die Aufgabe des Glaubens darin, intellektuelle Spannungen seiner Zeit zu beruhigen und durch die Wissenschaft Trost zu vermitteln.

1797 veröffentlichte Jean Paul die „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“  von Johann Paul Friedrich Richter, der seit 1792 den Autorennamen Jean Paul verwendete. Dieser Text, diese „Rede“ ist nicht mehr aus der Weltliteratur wegzudenken.

Hegels Ziel war es, Kants Erkenntnisse, das Neue Testament und die Wissenschaften unter einen Hut zu bringen. Er bemängelte, dass wir nicht suchen, was wichtig ist. Er glaubte, eine objektive Religion kann nur vom Staat ausgehen – Staatsreligion. Er wollte die Gottesbeweise hinter sich lassen, auch die Erbsünde hielt er nicht für relevant, Schuld kann nicht übertragen werden.

„Was vernünftig ist, das ist wirklich; was wirklich ist, das ist vernünftig.“

Dieser Satz Hegels wird oft zitiert, aber nicht immer verstanden. Wie kann Freiheit in die soziale Ordnung eingebaut werden? Was ist Freiheit überhaupt? Für Hegel ist Freiheit:

„Freiheit wird von Hegel niemals als ein spontanes Draufloshandelnkönnen verstanden, also nicht jenem eigentümlichen Gedanken Kants entsprechend, sie bestünde in der Fähigkeit, keiner Ursache zu unterliegen, sondern selbst eine zu sein. Hegel erkennt in ihr vielmehr die Fähigkeit, gerade durch Verbindung mit etwas oder jemand anderem zu sich selbst zu finden und im Anderen bei sich zu sein. Nicht das Losreißen von der Natur und die Entgegensetzung zu ihr, sondern die Auflösung ihres Zwanges durch die aneignende Umformung ihrer Impulse ist für Hegel – wie übrigens später auch für seinen intellektuellen Enkel Marx – das Freie am Geist in allen seinen Formen, ob es nun ästhetische, sittliche oder wissenschaftliche sind.“

Kaube, Jürgen: Hegels Welt. S.338.

Für Hegel ist der Freiheitsbegriff ein Bildungsauftrag.

Struktur „Hegels Welt“

In 22 Kapitels und fast 600 Seiten erzählt Jürgen Kaube chronologisch das Leben Hegels. 50 Seiten Anmerkungen, Literatur-, Personen- und Bildverzeichnis für die zahlreichen Bilddokumente, die den Inhalt veranschaulichen.

Cover

Das Cover zeigt eine Abbildung des Gemäldes „Der Heißluftballon“ von Francisco de Goya 1813/1816, das in Agen, Musée des Beaux-Arts hängt.

Der Heißluftballon repräsentiert die Zeit, dargestellt durch die Erfindung der Gebrüder Montgolfier. Das finde ich sehr apart und passend.

Fazit/Kritik „Hegels Welt“ von Jürgen Kaube

In „Hegels Welt“ stellt Jürgen Kauber diese komplexe Zeit, in der vielerorts, Systeme, Gesellschaften, Gesetze und Wertvorstellungen verändert und erneuert werden, lebendig dargestellt. Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg, die französische Revolution, Napoleon (für Hegel der „Weltgeist“ zu Pferde). Technische Entwicklungen, Kolonialisierung, astronomische Erkenntnisse, Entwicklung der Dampfmaschine und vieles mehr, tragen zum Fortschritt der Menschheit bei. Geschichte wird hier lebendig.

Das Buch erfreut Philosophieinteressierte ebenso wie Geschichtsinteressierte. Der Leser spürt die konstruktive Kraft dieser Epoche.

Jürgen Kaube informiert und legt Zusammenhänge in verständlicher Sprache dar und motiviert den Leser in unterhaltsamen Stil, sich weiter mit dem Thema zu befassen. Der Autor hat die Anforderungen der literarischen Rhetorik „docere“ (lehren) und „delectare“ (unterhalten) wunderbar erfüllt.

Mein herzliches Dankeschön geht an den Rowohlt Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. Das hat keine Auswirkung auf die Bewertung. Ich bewerte nach meinem Geschmack und meinen Kriterien.

Leseempfehlung

Die Preisverleihung des Deutschen Sachbuchpreis findet im Humboldt Forum im Berliner Schloss statt, sie wird live übertragen. Weitere Informationen finden ihr unter https://www.rowohlt.de/autor/juergen-kaube-2038 und  www.deutscher-sachbuchpreis.de

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Connie Ruoff

Mein Name ist Connie Ruoff, ich bin 1960 geboren, habe Philosophie und Germanistik studiert. Damit mir zu Hause nicht langweilig wird, studiere ich"Bloggen professionell gemacht" in der Fernakademie. Ich lese alles, was ich finden kann.

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