Was vom Tage übrig bleibt …
Zum Inhalt – Rezension „Mädelsabend“ Anne Gesthuysen
Anne Gesthuysen zeigt uns in „Mädelsabend“ nicht nur Vergangenes, sondern verbindet das Vergangene mit unserer Zeit, indem die Autorin Ruths Leben erzählt. 60 Jahre aus dem Leben einer Frau, deren Weg zu der Erkenntnis führt:
„Dein Platz ist hier, an meiner Seite“,sagte sie, „nicht umgekehrt.“
„Mädelsabend“ von Anne Gesthuysen
Ein Zitat, das aufhorchen lässt.
In Gesprächen zwischen der Enkelin Sara und Ruth, erkennt man, wie aktuell die Problematik und die damit verbundenen Themen sind.Was haben Sara und Ruth gemeinsam?
Sara, Mitte Dreißig, hat eine sehr enge Bindung zu ihrer Großmutter. Beide stehen an einem ähnlichen Punkt.
Sara, Mutter des kleinen Paules, möchte nicht mehr nur halbtags als Ärztin arbeiten, sondern Karriere machen. Sie hat, die Möglichkeit zwei Jahre in zu forschen. Sie steckt in dem Dilemma fest, Kind und Ehe gegen Selbstverwirklichung und Karriere.
Der Roman beginnt, kurz nachdem Ruth und Walter in der Seniorenresidenz auf Burg Winnenthal eingezogen sind. Walter ist 90 und Ruth 88, als sie ihr bisheriges Leben, weil Ruth auf der Treppe stürzte, verändern. Der Tagesablauf des Ehepaares ist nicht mehr der selbe. Bislang hatte Ruth ihr Leben vollständig auf Walter ausgerichtet.
Ruth genießt es, Freundinnen zu haben und im Chor zu singen. Sie fühlt sich erfüllt. Walter kann nicht damit umgehen. Er glaubt die Frauen hätten sich gegen ihn verschworen und verdächtigt die Damen, schon einen der Ehemänner getötet zu haben. Er versucht, Ruth den Umgang zu verbieten.
Zwei Frauen vor der Entscheidung: Wie gehe ich mit diesem Dilemma um? Stecke ich zurück und füge mich den Konventionen und den Männern? Kann ich meinen Partner davon überzeugen, dass er davon profitiert, wenn mein Leben mich erfüllt?
Das Buch hat mir Freude gemacht, es hat mich aber auch wütend gemacht. An manchen Stellen war ich sogar fassungslos. Anne Gesthuysen erzählt in „Mädelsabend“ die Geschichte einer 88-jährigen Frau mit den Facetten der entsprechenden Zeit. Es ist auch ein Abbild der Geschichte der Gleichberechtigung.
5/5 Punkten
Protagonisten „Mädelsabend“ Anne Gesthuysen
Ruth wurde Anfang der dreißiger Jahre geboren. Damals war klar, wenn du heiratest, bekommst du die Schwiegereltern gleich mit. Ruth musste sich nicht nur ihrem Mann Walter, sondern auch ihren Schwiegereltern, fügen. Gleichberechtigung war für Ruth ein Wort ohne Inhalt. Sie kam überhaupt nicht auf die Idee, sich zu wehren.
Walters ErwachsenenLeben hat mit einer großen Enttäuschung begonnen. Er wurde gezwungen, auf seine „erste Liebe“ zu verzichten. Die Heirat mit Ruth war eine Vernunftentscheidung. Er wurde lange Zeit von seinem Vater unterdrückt. Der Vater war der Haushaltsvorstand und hatte das Sagen. Walter vermittelt sich mir eher als schwache Persönlichkeit.
Sara ist eine moderne Frau, die versucht Ehe, Kind und Beruf und Karriere unter einen Hut zu bringen.
4/5 Punkten
Sprachliche Gestaltung „Mädelsabend“ Anne Gesthuysen
Anne Gesthuysen hat mit niederrheinischem Humor, die für mich, oftmals bedrückende Lebensgeschichte, wunderbar aufgelockert. Ruth und ihre Versuche, Walter außer Gefecht zu setzen und weitere Episoden nehmen dem Buch die Tragik. Oftmals fielen mir dazu die Worte ein: „Das ist, was vom Leben übrig bleibt“.
Die Kapitellänge ist angenehm und es gibt ein Inhaltsverzeichnis.
4/5 Punkten
Cover und äußere Erscheinung
Das Cover gefällt mir. Es passt gut zum Titel.
4/5 Punkten
Das Hörbuch – Rezension „Mädelsabend“ Anne Gesthuysen
Ich habe das Buch nicht nur gelesen, sondern auch ungekürzt bei BookBeat gehört.
Warum gibt es gekürzte Hörbücher? Wer liest die? Eine Frage an Autor und Verlag: Ist die ungekürzte Fassung mit „Schwafelei“ gefüllt? Bislang sind gekürzte Fassungen ein No Go für mich.
Aber zurück zum Hörbuch. Die wunderbare Eva Mattes spricht „Mädelsabend“. Sie legt unaufdringlich Emotionen in die Worte. Es ist eine Freude, zuzuhören. Eva Mattes ist vielen Hörern sicherlich als Tatort Kommissarin aus Konstanz oder den Elena Ferrante – Hörbüchern bekannt. In meiner Playlist findet ihr noch mehr über Eva Mattes.
5/5 Punkten
Fazit / Rezension „Mädelsabend“ Anne Gesthuysen
Oder „Was vom Tage übrig blieb“
Und die größte Frage, die sich mir selbst beim Lesen stellte: Wie konnten sich unsere Großmütter so versklaven lassen?
Ja, wahrscheinlich, weil sie es eben nicht anders kannten.
Ruth findet Freundinnen, Frauen ihres Alters, die das Dilemma Ehe und die Verwirklichung des eigenen Ichs kennen.
Wir tragen alle unsere Vergangenheit mit uns. Ruth hat 60 Jahre mit einem Mann verbracht, der weder ein Prinz auf einem weißen Pferd, geschweige denn ein Partner. Er war der Haushaltsvorstand. Ruth und Walter füllten ihre Rolle, so gut es ging. Es fällt mir schwer, darin eine liebevolle Ehe zu sehen.
In der geschützten Umgebung des Seniorenstifts kommen die Frauen zusammen. Sie hören einander zu. Sie, Alle haben Ähnliches erlebt. Es gibt mehr in die Jahre gekommene Frauen, als alte Männer. Sie sind in der Übermacht. Die Emanzipation wächst von alleine.
Ich werde dieses Jahr 59 und habe einige Dinge, von denen Ruth (bzw. Anne Gesthuysen erzählt, selbst noch ein wenig mitbekommen, trotzdem erschüttert es mich immer wieder, wie sehr Männer in der damaligen Zeit ihre Frauen dominiert und als Besitz angesehen haben.
Sechzig Jahre zusammen den Alltag leben, Kinder großziehen, Geld verdienen und ein Zuhause schaffen. Eine Ehe ist nun wirklich nichts für Weicheier, sondern bedeutet jeden Tag ein Miteinander zu finden, dass den Partner mit einschließt, ohne selbst oder den Partner die Luft zu nehmen.
Anne Gesthuyen verbindet in „Mädelsabend“ diese ernsthafte Problematik mit niederrheinischem Humor und zeigt, dass es kein Patentrezept für eine Ehe gibt. Jede Beziehung ist individuell.
Anne Gesthuysen stellte den Roman im Rahmen des Rheingau Literatur Festivals vor. Im Buch steckt ein Teil Familiengeschichte. Die Autorin plauderte darüber, wie das Buch im Geiste entstand. Ich durfte dabei sein. Zum Bericht:
Ich vergebe insgesamt 4,2/5 Punkten.
Weitere Rezensionen zum Buch
Literameer.de
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Zur Veranstaltung auf Burg Schwarzenstein: Anne Gesthuysen liest aus Mädelsabend
Interview mit Ina Kloppmann am 9.11.2017