Der Zauberberg, die ganze Geschichte von Norman Ohler (Rezension)

Rezension: Der Zauberberg im Spiegel von Norman Ohlers der Zauberberg, die ganze Geschichte

Im Jahr 1924, vor einem Jahrhundert, veröffentlichte Thomas Mann der Zauberberg, ein Werk, das als einer der bedeutendsten deutschen Romane des 20. Jahrhunderts gilt. Norman Ohler, der schon mehrfach unerschrocken an historische Themen heranging, hat sich in seinem Buch der Zauberberg, die ganze Geschichte diesem Klassiker der Literatur auf eindrucksvolle Weise genähert. Ohler beschränkt sich nicht darauf, uns das Originalwerk näherzubringen, sondern ergänzt es um eine weitreichende historische und gesellschaftliche Kontextualisierung, die sowohl Leser, denen das Werk bekannt ist als auch Neulinge fasziniert.

Ein Berg, Zwei Perspektiven: Der Zauberberg bei Mann und Ohler

Wie geht man an einen Roman heran, der sich um einen Hundertjahre alten Bestseller dreht? Zu Der Zauberberg sind im letzten Jahre mindestens drei Bücher erschienen, die darauf Bezug nehmen: Zauberberge von Thomas Sparr (Hierzu gibt es einen interessanten und ausführlichen Artikel von Jörg Auberg auf Moleskin Blues.) Der Zauberberg 2 von Heinz Strunk und der hier vorgestellte Roman Der Zauberberg, die ganze Geschichte.

Ich habe den Zauberberg zwar als Teenager schon gelesen, aber das ist schon Jahrzehnte her. Also nochmal ran an die Tausend Seiten. Ich muss zugeben, ich habe mich doch etwas durchgequält. 

Kurze Zusammenfassung von Der Zauberberg von Thomas Mann

Der Zauberberg Thomas Mann

Thomas Manns Der Zauberberg erzählt die Geschichte von Hans Castorp, einem jungen Hamburger Ingenieur, der seinen Cousin Joachim Ziemßen in einem Sanatorium in den Schweizer Alpen besucht. Ursprünglich für drei Wochen vorgesehen, entwickelt sich Hans’ Aufenthalt zu einem siebenjährigen Abenteuer. Im Laufe seiner Zeit in der abgeschiedenen Welt des Sanatoriums begegnet Hans einer Vielzahl von Charakteren, die jeweils unterschiedliche philosophische, politische und weltanschauliche Perspektiven repräsentieren, darunter der Humanist Settembrini und der mystische Jesuit Naphta. Der Roman erforscht tiefgründig die Themen Zeit, Krankheit und Tod, während er die brüchigen Fundamente der europäischen Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkriegs spiegelt.

Was hat Norman Ohlers Buch mit dem Original zu tun?

Norman Ohler, greift mit Der Zauberberg – die ganze Geschichte den Klassiker von Thomas Mann investigativ auf und bietet eine frische Perspektive auf die Entstehung und den Einfluss des Romans. Ohler interpretiert Manns Werk nicht nur, sondern beleuchtet zielgerichtet die historischen und biografischen Umstände, unter denen Mann schrieb. Dabei widmet er sich der Frage, wie die politische und gesellschaftliche Stimmung der 1920er Jahre Manns Schreiben beeinflusste.

Ohler bringt detaillierte Recherchen über das real existierende Sanatorium in Davos, das Mann als Inspiration diente, und über die medizinischen Praktiken und gesellschaftlichen Erwartungen der damaligen Zeit ein. Seine Analyse zeigt auf, wie Mann persönliche Erfahrungen, europäische Geistesströmungen und zeitgenössische politische Entwicklungen kunstvoll ineinander verflocht, um die Komplexität der menschlichen Existenz und der fortschreitenden Moderne zu reflektieren.

Norman Ohler berichtet von den Kindersklaven und, wie es wirtschaftlich vor den geldbringenden Sanatorien aussah. Der Autor erzählt uns auch von Alfred Henschke, bekannt unter dem Pseudonym Klabund, ein deutscher Schriftsteller. Klabund litt selbst an Tuberkulose und verbrachte Zeit in Davos, was seine Schriften maßgeblich beeinflusste. In der Geschichte die Krankheit – eine Erzählung stellt Klabund auf eindringliche Weise das Schicksal eines Patienten dar, der an Tuberkulose leidet. (Diese Geschichte ist im Bookbeat Katalog enthalten.)

Indem Ohler die Lücken zwischen Fiktion und Wirklichkeit beleuchtet, eröffnet er neue Verständnisebenen des Romans und erhöht das Bewusstsein für die zeitlose Relevanz von Manns Themen. Er diskutiert, wie sich Paradigmen wie die Krankheit als Metapher für moralische und gesellschaftliche Dekadenz bis heute in unserer Kultur widerspiegeln.

Zusätzlich analysiert Ohler, wie die Charaktere von Manns Werk, insbesondere Hans Castorp, die innere Zerrissenheit und die Suchen nach Sinn und Orientierung, universelle menschliche Erfahrungen widerspiegeln. Ohler bietet somit eine wertvolle Ergänzung zu Manns komplexem Werk und zeugt von der anhaltenden Aufforderung, sich mit existenziellen und moralischen Fragen zu beschäftigen.

1929 treffen sich Ernst Cassirer und Martin Heidegger in Davos. Dazu gibt es ein Buch von Wolfram Eilenberger Zeit der Zauberer zur Rezension.

In diesem Sinne fungiert Ohlers Buch sowohl als Hommage an den literarischen Genius von Thomas Mann als auch als investigatives Werk, das die intellektuelle und historische Tiefe von „Der Zauberberg“ neu auslotet. Es bietet den Lesern eine umfassende Erfahrung, die über die reine Lektüre hinausgeht und zur aktiven Auseinandersetzung mit den Themen des Romans einlädt.

Ohler gelingt es, diesen eher einem Sachbuch geeigneten Text in einen Roman einzuflechten. Als Rahmenhandlung dient der Skiurlaub mit seiner Tochter. Dadurch lassen sich Ohlers Recherchen unterhaltsam lesen.

Kritik/Fazit zu Norman Ohler Der Zauberberg, die ganze Geschichte

Norman Ohlers Der Zauberberg, die ganze Geschichte wurde vielfach für seine gründliche Recherche und seinen lebendigen Schreibstil gelobt. Ohler gelingt es, die historische, gesellschaftliche und persönliche Dimension von Manns Werk herauszuarbeiten und den Kontext, in dem Der Zauberberg entstanden ist, anschaulich zu machen. 

Es macht einfach auch Spaß, zu erfahren, wie so ein bedeutender Roman entstanden ist oder sein könnte.

Außerdem macht es auch ein wenig neugierig auf das Original. Ich muss gestehen, dass ich als Teenager begeistert war, aber diese Begeisterung beim wiederholten Lesen nicht mehr eintrat.

Man muss den Inhalt des Original-Zauberbergs nicht kennen, um Ohlers Buch genießen zu können. Kurz und gut: mir hat es gefallen!

Die Rezension für das Original Der Zauberberg von Thomas Mann folgt in den nächsten Tagen.

Mein herzlicher Dank für das Rezensionsexemplar Der Zauberberg, die ganze Geschichte geht an den Diogenes Verlag.

Bibliografie

Der Zauberberg, die ganze Geschichte von Norman Ohler (Rezension)

Hardcover Leinen
272 Seiten
erschienen am 25. September 2024
978-3-257-07318-8
Leseprobe
Hörprobe

Weiterführende Links

Interview mit Norman Ohler
Der Autor bei Diogenes
Titel-Kulturmagazin
Lust auf Literatur
Herr Palomar Die Büchereule

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