Anne Applebaum "Die Achse Der Autokraten" (Rezension)

„Die Achse der Autokraten“ Anne Applebaum (Rezension)

Eine Abbildung der aktuellen Weltordnung

Anne Applebaum legt mit „Die Achse der Autokraten“ eine eindringliche Diagnose der gegenwärtigen Weltordnung vor: Ein geschmeidiges Netzwerk von Herrschern, Oligarchen, PR-Agenturen, Söldnern und Techniklieferanten, die einander stützen, um Macht zu sichern, und Widerspruch zu entkräften, und es zeigt auch die Verwundbarkeit liberaler Demokratien.

Überblick „Die Achse der Autokraten“

„Die Achse der Autokraten“ habe ich mir geholt, um die neue Weltordnung ein wenig besser zu verstehen. Obwohl im Juli das 18. EU-Sanktionspaket gegen Russland beschlossen wurde, am 12. September verlängerte die EU individuelle Sanktionen und am 3. Oktober verlängerte die EU die Sanktionen als Reaktion auf hybride Bedrohungen durch Russland, hat es bislang wenig bis keinen Erfolg. Anne Applebaum erklärt, warum die Sanktionen umgangen werden können.

Historische Beschreibung

Applebaum zeigt die Organisationsform der Autokraten. In der heutigen Zeit dominiert der opportunistische Tauschhandel: Schutz gegen Geld, Technologie gegen Loyalität, Schweigen gegen Einfluss. Diese Abkommen haben Bestand: Geheimdienste als Machtzentren, Propaganda als Herrschaftstechnik, die systematische Zerstörung unabhängiger Institutionen. Neu ist die globale Infrastruktur, die Unterdrückung und Korruption skaliert: Offshores, Schattenfinanz, Plattform-Öffentlichkeiten und kommerzialisierte Desinformationsmärkte. Applebaum liest die Geschichte als Warnung: Demokratien sind selten in einem Moment gefallen; sie erodieren – juristisch, kulturell, finanziell.

Die Achse der Autokraten

Die „Achse“ ist kein Pakt mit Flaggen und Hymnen, sondern eine Lieferkette der Autokratie. Ihre Knotenpunkte sind Energie- und Rohstoffströme, Kanzleien, Banken, Immobilienmärkte, Thinktanks, Medienkanäle und Sicherheitsfirmen. Autokraten teilen weniger eine Ideologie als ein Geschäftsmodell: das Versprechen von Stabilität, Prosperität und nationaler Größe bei gleichzeitiger Absicherung der Eliten. 

Applebaum beschreibt eindringlich das Phänomen der Kleptokratie. Kleptokraten sind diejenigen Machthaber, die staatliche Ressourcen für ihren eigenen Nutzen ausbeuten.

Autokraten helfen einander mit UN-Stimmen, Asyl für entflohene Kleptokraten, toxischen Krediten, politischen Beratern, Trollfarmen und Spyware. Demokratien sind darin nicht nur Opfer, sondern häufig Dienstleister: Sie bieten Rechtssicherheit für dubioses Kapital und Lobbyzugänge für autoritäre Interessen. Applebaum zeigt, wie Normalität vorgespielt wird – Investmentforen, Sport-Events, Kulturpartnerschaften.

Der Kampf um die Deutungshoheit

Im Zentrum steht die Information. Autokratische Akteure säen Zweifel, nicht Überzeugung: Alles sei korrupt, alle Medien lügen, seien Fakten Meinungssache. Dieses „strategische Zynismus“-Narrativ entkräftet gemeinsame Wirklichkeit. Applebaum beschreibt eine arbeitsteilige Ökosphäre: staatliche Sender, gekaperte Influencer, Bots, Microtargeting, aber auch westliche Kommentatoren, die aus Empörung Reichweite gewinnen – und damit unfreiwillig Verstärker werden. Der Kulturkampf dient als Rammbock gegen Rechtsstaatlichkeit: Minoritäten, Migration, Genderfragen fungieren als Spaltpilze, die Institutionen delegitimieren. Wer die Sprache kontrolliert – was „Souveränität“, „Frieden“, „Tradition“ bedeutet –, kontrolliert die Politik. Applebaums Pointe: Es braucht nicht die Mehrheit, um die Öffentlichkeit zu kippen; Es genügt, Vertrauen zu unterminieren.

Russland

Russland erscheint als Prototyp und Knoten dieses Netzwerks. Die innenpolitische Architektur – Sicherheitsstaat, Oligarchenkartell, Scheingerichte – wird exportfähig gemacht: durch Söldnerfirmen, Energiehebel, Waffenlieferungen und eine Industrie der Einflussnahme. Der Krieg gegen die Ukraine ist bei Applebaum kein Ausrutscher, sondern folgerichtig: Außenaggression stabilisiert das Regime, verschärft Repression im Inneren und bindet Verbündete in Abhängigkeiten. Zugleich ist Russland kein allmächtiger Dirigent: Beziehungen zu China, Iran oder Regimen in Afrika sind transaktional, durch Misstrauen begrenzt, aber funktional genug, um Sanktionen zu umgehen und Narrative zu synchronisieren. Besonders eindrücklich zeigt Applebaum Europas Verwundbarkeit: Energieabhängigkeit, Parteienfinanzierung, korruptionsanfällige Märkte. Russland illustriert, wie Korruption kein Nebenprodukt, sondern Regierungsform ist – nach innen wie außen.

Fazit / Kritik „Die Achse der Autokraten“

„Die Achse der Autokraten“ überzeugt durch analytische Schärfe, erzählerische Klarheit und die Fähigkeit, Phänomene, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen – von Offshore-Firmen bis TikTok-Propaganda – zu einem plausiblen Gesamtbild zu verknüpfen. Applebaum schreibt ohne Fatalismus und skizzierte Gegenmittel: Transparenz in Finanzflüssen, harte Sanktionsregime, Stärkung lokaler Medien, demokratische Widerstandsfähigkeit durch Bildung und Unabhängigkeit der Institutionen.

Das Buch half mir die Politik und das Weltgeschehen der letzten Jahren besser zu verstehen. Die Journalistin Anne Applebaum hat den Pulitzerpreis für „Gulag“ und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten.

Immer wieder fragte ich mich bei der Lektüre, ob und wie Donald Trump in diese Achse passt. Ist er ein Autokrat, oder sogar ein Kleptokrat? Leider ist die zweite Amtszeit von Donald Trump im Buch nicht berücksichtig, weil das Buch davor veröffentlich wurde.

Vor einem Jahr hätte ich darauf hingewiesen, dass In den USA Gewaltenteilung, Gerichte, freie Medien und Wahlen solche Muster begrenzen – sie schließen sie aber nicht vollständig aus. Heute habe ich so meine Zweifel.

Dafür sprechen „kleptokratische Tendenzen“: systematische Interessenkonflikte, Monetarisierung des Amtes durch Geschäftsbeziehungen zu in- und ausländischen Akteuren, rechtlich festgestellte Unternehmensdelikte, politische Nutzung staatlicher Aufgaben in eigenen Immobilien.

Wir werden für unsere Demokratie kämpfen müssen.

Die Achse der Autokraten Anne Applebaum - Siedler Verlag

Zum Cover „Die Achse der Autokraten“:
Meine Ausgabe „Die Achse der Autokraten“ ist von Büchergilde Gutenberg 2025.
Das Original erschien 2024 unter dem Titel Autocrazy Inc. bei Doubleday, New York
Die deutschprachige Ausgabe 2024 bei Siedler Verlag, München.

weiterführende Links „Die Achse der Autokraten“

Zeitleiste EU-Sanktionen gegen Russland

Rezension Literaturkritik.de

Neue Zürcher Zeitung

Alexander Preuße

Anne Applebaum zu Gast in Sternstunde der Philosophie

Weiter zu

Rezension „Machtmenschen“ Torunn Siegler

Leseplan 2025

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