Rafik Schami am 30.01.2020 im Schauspiel Frankfurt

„Nehmen Sie meine Stimme mit!“

Rafik Schami Frankfurt Schauspiel Autogramm

Nein! Für ein Foto wollte der sympathische Autor nicht posieren, aber er bat mich:

„Nehmen Sie meine Stimme mit!“

Ich werde versuchen, diesen Auftrag zu erfüllen.

Die Veranstaltung wurde vom Literaturhaus Frankfurt in Kooperation mit dem Schauspiel Frankfurt ausgerichtet. Der Autor war schon eine Stunde früher am Büchertisch und wartete gut gelaunt mit gezücktem Stift auf seine Fans.

Wer ist Rafik Schami?

Rafik Schami wurde 1946 als Suheil Fadél geboren. Sein Pseudonym bedeutet »Damaszener Freund«. 1966 gründete er in der Altstadt von Damaskus die Wandzeitung Al-Muntalak, die 1969 verboten wurde. Ein Jahr danach verließ er Syrien, zog in den Libanon und wanderte 1971 nach Deutschland aus. Er promovierte in Chemie und besitzt die deutsche und die syrische Staatsbürgerschaft.

Inzwischen gehört der sympathische Autor mit seiner Migrationsliteratur zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Gegenwart. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise.

Rafik Schami engagiert sich politisch für die Aussöhnung von Palästinensern und Israelis.

Ich erzähle dir von der »geheimen Mission des Kardinals«

Rafik Schami las nicht aus seinem Buch „Die geheime Mission des Kardinals“, sondern es war, wie in „Tausend und einer Nacht“. Es gab den Geschichtenerzähler Rafik Schami, der ohne Moderator, »Die geheime Mission des Kardinals«, auf der Bühne des Schauspiels Frankfurt, zum Leben erweckte.

„Die geheime Mission des Kardinals“ spielt in einer Zeit (2010/2011), als in Syrien noch Frieden herrschte.

Ein italienischer Kardinal wird tot in einem großen Fass mit Olivenöl gefunden und trägt den Ring an der falschen Hand. Eine Degradierung? Das Herz des Toten wurde entfernt und gegen einen Basaltstein eingetauscht. Unter den Lidern waren Münzen, was auf Gier schließen lässt. Eine Hinrichtung? Eine Botschaft? Welche Mission hatte der Kardinal?

Der ermittelnde Kommissar steht kurz vor der Pensionierung. Barudi hat sich einen Kalender mit den noch abzuleistenden Tagen angefertigt. Er kann es kaum erwarten.

Im Falle eines so angesehenen Opfers, beschließt die syrische Seite, die italienische Polizei mit einzubeziehen. Und so wird Kommissar Mancini, der viel über die arabische Kultur und die Menschen weiß und das Land liebt, in die Ermittlung mit einbezogen.

Zwischen den beiden Kommissaren entwickelt sich eine Freundschaft! Ihre Zusammenarbeit klappt sehr gut und Barudis Netzwerk, das aus kleinen Gaunern besteht, die er zu Verbündeten gemacht hatte, kommt ihnen dabei zugute.

Manche Leser*innen kennen Kommissar Barudi aus »Die dunkle Seite der Liebe«. Rafik Schami hat diesen Charakter weiterentwickelt.

Hatte unser ermordeter Kardinal die Mission, einen syrischen Kandidaten für eine Heiligsprechung zu finden. Bislang mussten die Heiligen ohne syrische Beteiligung auskommen. Hat es mit diesem mysteriösen „Bergheiligen“ aus der Nähe von Damaskus zu tun? Oder ist das eine falsche Fährte?


Barudi liebt seine verstorbene Frau Basma noch immer, obwohl der Verlust schon einige Jahre her ist. Die beiden konnten keine Kinder bekommen. Dann kam Sharif. Sharifs Eltern wurden getötet und Barudi nahm ihn mit nach Hause. Schnell wuchsen sie zu einer Familie zusammen. Aber das Schicksal meinte es nicht gut mit den Dreien. Der Onkel beanspruchte die Pflegschaft für den Sohn seines Bruders und ließ sich nicht davon abbringen. Hilflos mussten sie zuschauen, wie die Polizei Sharif abholte. Wenige Monate später wurde Basma schwer krank und.starb bald darauf.

Und genau dieser Sharif spielt noch eine sehr große Rolle im Roman und trifft wieder mit Barudi zusammen. Rafik Schami erzählte hierzu noch mehr, aber ich will dir nicht die Spannung nehmen oder spoilern. Es wird auf jeden Fall noch sehr spannend.

Kommissar Barudi führt ein Tagebuch, diese Kapitel zeigen sozusagen die Innenansicht Barudis. Eine gelungene Komposition. Der Leser bekommt so das Gefühl, ganz private Einsichten zu erfahren.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen und die Stunde mit Rafik Schami und seiner Geschichte aus dem Herzen Syriens hat mich begeistert. Also wenn du die Gelegenheit hast, Rafik Schami in einer »Lesung« zu erleben, dann zögere nicht und greif zu!. Es ist gut investierte und sehr unterhaltsame Zeit.

Rafik Schami erzählt von Syrien

Aber nicht nur »Die geheime Mission des Kardinals« war hörenswert, sondern auch was der Autor über seine Heimat erzählte. Seine Stimme und seine Worte lassen die Liebe zu Land und Leuten spüren.

Übrigens: Gehst du gerne auf Friedhöfen spazieren? Ich kenne das von unserer Oma, die gerne auf den Friedhof ging und an die Menschen dachte, die sie im Laufe ihres Lebens verloren hatte. Hier fühlte sie sich ihnen nah. Also für uns Europäer durchaus normal. Nicht so im arabischen Teil der Welt. Ein Araber findet das sehr befremdlich. Auf den Friedhof geht man nur zur Beerdigung.

Der Autor scheute sich auch nicht, kleine politische Hiebe zu verteilen.

Zuletzt möchte ich meine Aufgabe erfüllen und dir Rafik Schamis Stimme in Form von zwei syrischen Weisheiten, die mir sehr gefallen, mitgeben.

»Verliebtheit ist ein wildes Tier.«

Und

»Einen Schnüffler bestraft man am meisten, wenn man ihn mit leeren Händen zurückschickt.«

Das Publikum erlebte einen dankbaren Schriftsteller, der das Wort Achtsamkeit versucht, in jeder möglichen Weise umzusetzen.

Vielleicht treffen wir uns ja bei der nächsten Lesung! Das würde mich freuen! Bis dahin wünsche ich dir eine friedliche Zeit. Eine Zeit ohne Hass!

Connie Ruoff


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Connie Ruoff

Mein Name ist Connie Ruoff, ich bin 1960 geboren, habe Philosophie und Germanistik studiert. Damit mir zu Hause nicht langweilig wird, studiere ich"Bloggen professionell gemacht" in der Fernakademie. Ich lese alles, was ich finden kann.

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