Buchrezension »Metropol« von Eugen Ruge


Josef Stalin, Lion Feuchtwanger und Lotte Germaine


oder


Es gibt in Moskau keine Hunde mehr.


Zusammenfassung/Inhalt »Metropol« Eugen Ruge

Eugen Ruge erzählt in »Metropol« einen weiteren Teil der Geschichte seiner Familien. Dieser Teil ergänzt »In Zeiten des abnehmenden Lichts«. Großmutter Charlotte wird zur Protagonistin des Romans.

Zeitgeschehen und Hintergrund

Der Leser wird in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und vor dem Zweiten Weltkrieg entführt. Die Habsburger Monarchie ist gestürzt. Die russische Oktoberrevolution 1917 endete mit der Machtübernahme der linksrevolutionären Bolschewiki. Das Ziel war die Oktoberrevolution auf eine Weltrevolution zu erweitern und die »Diktatur des Proletariats« zu errichten. Dafür wurde die Komintern, als straff organisierte kommunistische Weltpartei gegründet, um die Koordination und Leitung mit dem Ziel »Weltrevolution«, zu übernehmen.

Zu Beginn der 1920er Jahre, nach der Konsolidierung der Sowjetmacht, war die Partei für den Staat und das Ziel Weltrevolution verantwortlich. Das ändert sich wiederum 1924 nach dem Tod Lenins und dem folgenden Machtkampf, den Josef Stalin gewann. Ab 1927 war Stalin der alleine Herrscher. Die Komintern wurde zu seinem persönlichen Instrument und Werkzeug. Er trieb die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft voran und forcierte die Industrialisierung.

Ab 1934 begannen die Moskauer Schauprozesse mit den »Säuberungen«. Seine politischen Gegner, ein Großteil der höheren Parteifunktionäre und Minister wurden in diesen öffentlichen Prozessen, die von der Weltöffentlichkeit als Inszenierung entlarvt wurden, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Jegliche Opposition wurde ausgeschaltet. Der Personenkult um Stalin wurde immer größer.

Auch der deutsche Schriftsteller Lion Feuchtwanger spielt eine Rolle in »Metropol«. Er war 1937 zwei Monate Ehrengast, Gesprächspartner Stalins und Beobachter im zweiten Moskauer Schauprozess. Während dieser Zeit erschien in der Sowjetunion eine Gesamtausgabe seiner Werke und der Roman »Die Geschwister Oppenheim« wurde verfilmt. Lion Feuchtwanger schrieb darüber das Buch »Moskau 1937«, das er selbst einen »Reisebericht für meine Freunde« nannte.

Lotte und Jean Germaine

Charlotte, die in Deutschland mit Haftbefehl gesucht wurde, gehörte zu den deutschen Kommunisten, die aus Angst vor den Nationalsozialisten nach Russland flohen. Nun in Moskau sind Charlotte und ihr Lebensgefährte Wilhelm für die Komintern tätig. Aus Charlotte und Wilhelm werden Lotte und Hans Germaine.

Stalin weitet seine Macht aus und verfolgt gnadenlos alle Gegner. Lotte und Hans erleben die zweite Säuberungswelle. Mit Schrecken erfahren die beiden, dass einer dieser »Volksfeinde« M. Lurie – Mossej Lurie, der eigentlich Alexander Emel hieß, sein soll.

»Charlotte hört ihr Herz pochen, so laut, dass es Wilhelms Schnarchen ein paar Schläge lang übertönt. Vorbereitung von Anschlägen auf Stalin, Molotov, Woroschilow … Unglaublich, was vor sich geht. Fast spürt sie etwas wie Wut. Wozu die ständigen Parteisäuberungen und Überprügungen?«

Kurze Zeit später werden die Beiden ohne Angabe von Gründen von ihren Aufgaben bei der Komintern freigestellt und im berühmten Moskauer Hotel »Metropol« interniert. Eineinhalb Jahre in einem Hotel fast schon eingeschlossen. Nun gibt es eine Zweiklassengesellschaft im Metropol. Zahlende Gäste und internierte Genossen. In dieser Zeit werden aus Genossen schnell Volksfeinde und von denen wird die Partei gesäubert.

Gegen Ende des Buchs erfährt der Leser, dass Wilhelm und Charlotte denunziert wurden.

Eugen Ruge - Metropol Weltkugel

Der Aufbau »Metropol« Eugen Ruge

Im Prolog bereitet Eugen Ruge den Leser auf die Geschichte von Charlotte vor. Im Epilog erzählt der Autor die Hintergründe und die erstaunliche Entstehungsgeschichte des Buchs.

Der Schriftsteller zeigt das Geschehen aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Der Leser nimmt die Position von Hilde (der ersten Frau Wilhelms), Wassili Wassiljewitsch Ulrich, Vorsitzender des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR und Vorsitzender dieser Schauprozesse.

»Das Schlimme ist, dass man nicht weiß, was er denkt. Vermutlich ist das seine Stärke. Lehnt sich zurück, hört zu. Raucht sein Pfeifchen … Das konnten sie alle nicht, Trotzki, Sinojew, Kamenew: schweigen. Mussten immer reden, sich in den Vordergrund spielen. Während Stalin im Hintergrund seine Fäden spinnt.«

Der Schwerpunkt liegt aber auf der Perspektive von Charlotte.

Alle drei haben ihre persönlichen Probleme, aber auch Schwierigkeiten mit dem System und Stalins Säuberungsaktionen.

Im Buch wurden die im Text vorkommenden Briefe als Bild, entweder von Hand, oder mit der Maschine geschrieben, eingefügt. Das gefällt mir gut. Das wirkt sehr authentisch.

Das Ebook ist im Scoobe Katalog enthalten.

Eugen Ruge weiße Blumen

Das Hörbuch »Metropol« Eugen Ruge


Die ungekürzte Hörbuchfassung »Metropol« wird wirkungsvoll und beeindruckend von Ulrich Noethen und Ulrike Krumbiegel gelesen. Der Audioinhalt hat eine Länge von 12 Stunden und 29 Minuten. Das Hörbuch wurde am 8. Oktober 2019 im Argon Verlag veröffentlicht.

Ich habe »Metropol« mit Audible gehört. Der andere Teil der Geschichte der Familie Ruge trägt den Titel »In Zeiten des abnehmenden Licht«, und ist ungekürzt im Bookbeatkatalog enthalten.

Eugen Ruge


Der Schriftsteller, Dokumentarfilmer und Drehbuchautor Eugen Ruge ist der Sohn von Wolfgang Ruge, der selbst gegen Mitte und Ende der 1930er Jahre in Moskau Geschichte studierte und den selbst Stalins Terror erlebte, bis er wegen seiner deutschen Herkunft nach Kasachstan deportiert wurde und ein Jahr später als Zwangsarbeiter in ein Straflager des Gulags in den Nordural verschickt wurde. Erst 1956 gelang Wolfgang Ruge mit Frau und Sohn, die Ausreise in die DDR und er wurde einer der bekanntesten Historiker, der sich intensiv mit dem Aufstieg des Faschismus beschäftigte.

1988 siedelte Eugen Ruge in die Bundesrepublik über. 2011 veröffentlichte er seinen mit dem deutschen Buchpreis gekrönten Debütroman »In Zeiten des abnehmenden Lichts«. Darin trägt der Historiker Kurt Umnitzer die Züge von Wolfgang Ruge.

Kritik »Metropol« Eugen Ruge


»Grand Hotel Abgrund« von Stuart Jeffries war das letzte Buch, das ich rezensierte. Es ist ein Buch über die Frankfurter Schule und ihre Zeit. Die Frankfurter Schule beschäftigt sich mit den Theorien des Marxismus. Deswegen war es für mich unheimlich interessant, ein Buch über die praktische Umsetzung dieser Theorien zu lesen. Wie lebt man in einem Staat, der von einem machthungrigen Faschisten regiert wird. Eugen Ruge hat vor Ort recherchiert. Er hat sich intensiv mit der Geschichte seiner Großmutter beschäftigt. Eine Großmutter, deren Geheimnis er erst langsam entblättert.

Der Autor gibt einfühlsam die Resignation, Angst und Handlungsstarre der Beteiligten wieder. Hotelgäste in einem Grand Hotel, die in Schockstarre auf ihre Abholung, Verhandlung und im schlimmsten Fall sogar Hinrichtung warteten. Keiner kann dem Anderen trauen.

»Metropol« von Eugen Ruge ist ein Buch, das aufhorchen lässt. Ein Buch, das den Leser daran erinnert, wie wichtig es ist, unsere Demokratie zu stärken und gegen jeglichen Faschismus, unabhängig davon in welchem Kleid dieser erscheint, Links oder Rechts, zu schützen.

Ich wusste nicht viel über diese Zeit und habe beim Lesen viel über den Zeitgeist und der Ära des Marxismus unter Stalin erfahren, das mich ermunterte, ein wenig weiter über diese Zeit zu recherchieren.. Eugen Ruge hat einen Roman geschrieben, der sich nicht nur mit den historischen Daten dieser Zeit beschäftigt, sondern auch mit dem Elend der Menschen.

Ich kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen.


Weiterführende Links zum Buch

Der Autor beim Rowohlt Verlag

Dietmar Jacobsen in Literaturkritik.de

Alexander Cammann in DIE ZEIT Nr. 45/2019, 30. Oktober 2019 AUS DER ZEIT NR. 45/2019

LiteraturReich

WICHTIG –

Metropol cover

Die Lesungen

am 2. April in Bonn bei Buchhandlung Böttger
am 3. April in Mainz bei Buchhandlung Hugendubel
am 4. April in Saarlouis Veranstaltung des Festivals „erLesen“ der Saarländer Buchhandlungen:
Theater am Ring


wurden wegen der Coronakrise abgesagt.

Weiter zu:

Rezension Grand Hotel Abgrund von Stuart Jeffries

Rezension Canto von Paul Nizon

Teile diesen Beitrag
Benutzerbild von Connie Ruoff

Connie Ruoff

Mein Name ist Connie Ruoff, ich bin 1960 geboren, habe Philosophie und Germanistik studiert. Damit mir zu Hause nicht langweilig wird, studiere ich"Bloggen professionell gemacht" in der Fernakademie. Ich lese alles, was ich finden kann.

2 Kommentare zu „„Metropol“ Eugen Ruge (Rezension)“

  1. Pingback: Rezension Der Verdacht Dürrenmatt | SCHREIBBLOGG 2021

  2. Pingback: Eugen Ruge - Metropol - LiteraturReich - Rezension - Kritik

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen
%d Bloggern gefällt das: